Anwalt sexueller Übergriff

Als Ihr Anwalt verteidige ich Sie deutschlandweit beim Vorwurf des sexuellen Übergriffs. Ihnen wird sexueller Übergriff oder sexuelle Nötigung vorgeworfen? Dann ist es wichtig, ruhig zu bleiben und sofort zu einem Anwalt für Strafrecht Kontakt aufzunehmen. Bei frühzeitiger Beauftragung im Ermittlungsverfahren ist das Ziel der Verteidigung die Einstellung des Verfahrens: So kann eine Hauptverhandlung vermieden werden und Sie gelten weiterhin als unschuldig. 

Gesetzliche Regelung

§ 177
Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
1. der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2. der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3. der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4. der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5. der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
1. gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2. dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3. eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) 1In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3. das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2. das Opfer
a) bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b) durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Was ist ein sexueller Übergriff?

Der Straftatbestand des „sexuellen Übergriffs“ wurde im Zuge der Rechtsreform 2016 in das Gesetz aufgenommen. Geregelt ist der sexuelle Übergriff in §177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. Beim sexuellen Übergriff findet in der Täter-Opfer-Konstellation eine sexuelle Handlung statt, die nicht freiwillig ist – entweder, weil das Opfer seinen entgegenstehenden Willen ausgedrückt hat (Absatz 1) oder in seiner Willensbildungsfreiheit eingeschränkt ist (Absatz 2). 
 
Eine entscheidende Rolle spielt der Begriff der sexuellen Handlung. Handlungen mit eindeutigem Sexualbezug sind immer sexuell. Objektiv neutrale Handlungen sind nicht sexuell. Bei zweideutigen Handlungen, die nicht auf den ersten Blick klar sexuell sind, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Zum Beispiel, ob der Handelnde eine sexuelle Motivation hat. Die sexuelle Handlung muss zusätzlich erheblich sein.

 

Beim sexuellen Übergriff gibt es nach dem Gesetz verschiedene Möglichkeiten, die sexuelle Handlung auszuführen:
  • Der Täter nimmt die Handlung am Opfer vor: Das ist in der Praxis der häufigste Fall.
  • Der Täter lässt das Opfer die sexuelle Handlung an ihm – also am Täter – vornehmen.
  • Der Täter lässt das Opfer die sexuelle Handlung an sich selbst – also am Opfer – vornehmen.
  • Der Täter bestimmt das Opfer, die Handlung an einem Dritten vorzunehmen.
  • Der Täter bestimmt das Opfer, die Handlung eines Dritten an sich selbst – am Opfer – zu erdulden. 

Der entgegenstehende Wille

Eine sexuelle Handlung stellt nach §177 Abs. 1 StGB einen sexuellen Übergriff dar, wenn sie gegen den Willen des Opfers passiert. Das bedeutet: Das Opfer möchte die sexuelle Handlung nicht. Der Wille einer Person ist absolut subjektiv. Er kann nicht bewiesen, aber auch nicht widerlegt werden. Möchte eine Person eine sexuelle Handlung nicht, hat sie einen entgegenstehenden Willen gebildet. Behält sie die innere Ablehnung allerdings nur für sich, kann die handelnde Person dies nicht erkennen. Für ein Gericht wäre es praktisch unmöglich, derartige Fälle zu entscheiden. Deshalb hat der Gesetzgeber eine weitere Voraussetzung für den sexuellen Übergriff entwickelt: Ein strafbarer sexueller Übergriff liegt nur vor, wenn der entgegenstehende Wille auch erkennbar ist. 

Erkennbarkeit

Die Tatsache, dass eine Person eine sexuelle Handlung nicht möchte, muss von außen wahrnehmbar sein. Wer entscheidet, was wahrnehmbar ist? Hierfür kommt es nicht auf die Sicht des Täters an, sondern es wird aus einem objektiven Blickwinkel auf die Situation geschaut: Hätte ein neutraler Beobachter den entgegenstehenden Willen der Person erkennen können?

Wann ist danach der entgegenstehende Wille erkennbar? Zum einen, wenn das Opfer zum Tatzeitpunkt ausdrücklich verbal erklärt, dass es die sexuelle Handlung nicht möchte. Ein „Nein“ reicht aus. Zum anderen, wenn das Opfer durch Verhalten zu erkennen gibt, dass es die sexuelle Handlung nicht wünscht: Beispielsweise durch Weinen oder Abwehren. Warum das Opfer die Handlung ablehnt, spielt keine Rolle.

Konfliktanfällige Situationen

Aus rechtlicher Sicht problematisch ist, wenn sich eine Person ambivalent, also nicht eindeutig, verhält. Hier kommt es auf die Umstände an. Ein Beispiel: Eine Person kommuniziert ein „Nein“, aber wirkt aber aktiv am Sexualgeschehen mit. Oder wenn die  entgegenstehende Willensäußerung sogar als Teil des Geschlechtsverkehrs vereinbart wurde, etwa bei sadomasochistischen Praktiken. Bei derartig zweideutigem Verhalten wird angenommen: Die Erkennbarkeit eines entgegenstehenden Willens fehlt. Wird sich allerdings über ein vereinbartes „Safeword“ hinweggesetzt, ist das strafbar, weil hier der entgegenstehende Wille erkennbar ist.

Es kommt vor, dass ein Sexpartner während des Kontaktes seine Meinung ändert. Fakt ist: Eine einmal erteilte Zustimmung zu sexuellen Handlungen kann jederzeit widerrufen werden. Fakt ist aber auch: Die Meinungsänderung, also die Neubildung eines entgegenstehenden Willens, muss für den anderen erkennbar sein. Aus rechtlicher Perspektive ist für die Erkennbarkeit des entgegenstehenden Willens ist zu beachten: Wann ändert die Person ihre Meinung? So wird angenommen, dass mit fortschreitendem sexuellen Kontakt eine Willensänderung immer unwahrscheinlicher wird. Deshalb gilt: Die Ablehnung muss umso eindeutiger ausgedrückt werden. Entscheidend kann auch sein: Werden plötzlich Praktiken angewandt, die vorher nicht vereinbart waren? Dadurch kann ein entgegenstehender Wille objektiv erkennbar sein.

Insgesamt spielt für die Erkennbarkeit des entgegenstehenden Willens auch die Beziehung zwischen den Personen eine Rolle. Wird plötzlich ein sexuelles Verhalten – was bisher immer gutgeheißen wurde – abgelehnt, diese Ablehnung aber nicht kommuniziert, ist der entgegenstehende Wille für den Handelnden in der Regel nicht erkennbar.

Anwaltliche Empfehlungen

Es muss zwingend darauf geachtet werden, ob das Gegenüber in die sexuelle Handlung einwilligt. Ein „Nein“ sollte immer ernst genommen werden. Nein heißt immer Nein und niemals Ja. Auch ein in Anführungszeichen „spielerisches“ Nein muss unbedingt beachtet werden. Verhält sich das Gegenüber mehrdeutig, sollte die sexuelle Handlung beendet werden. Bei sexuellen Spielarten, die eine vereinbarte Ablehnung zum Gegenstand haben (z.B. aus dem SM-Bereich), kann folgendes ratsam sein:

  • Vor der Vornahme einer sexuellen Handlung sollte man sich eindeutig darüber versichern, dass der andere ausdrücklich einwilligt.
  • Insbesondere bei sadomasochistischen Praktiken oder Rollenspielen sollte ein Safeword vereinbart werden, dessen Nennung den Abbruch aller sexuellen Handlungen zur Folge hat.
  • Ändert der Sexualpartner während des sexuellen Kontaktes seine Meinung, müssen jegliche Handlungen sofort beendet werden.
  • Ohne Absprache sollten nicht vereinbarte sexuelle Praktiken niemals vorgenommen werden.
  • Zeigt der andere ablehnenden Verhalten, z.B. Weinen, Schreien, Wegschieben der Hand, Bedecken des Intimbereichs etc. oder wird auffällig still, sollte die sexuelle Handlung sofort abgebrochen werden. Das gilt erst recht, wenn der andere seine Ablehnung verbal äußert.

Vorsatz

Eine letzte Voraussetzung gibt es nach dem Gesetz für den sexuellen Übergriff noch: Der Täter muss mit Vorsatz handeln. Der Täter muss es zumindest anhand der Umstände für möglich halten, dass er die sexuelle Handlung gegen den Willen des Opfers vornimmt und dies billigend in Kauf nehmen. Ob Vorsatz vorliegt, entscheidet das Gericht im Einzelfall. Der Nachweis vorsätzlichen Handelns kann in folgenden Situationen schwierig sein: Zum Beispiel bei einer Meinungsänderung während dem Sex, weil der Täter da geistig und körperlich abgelenkt ist. Oder der Täter geht aufgrund sexueller Vorerfahrung mit dem Opfer davon aus, das kommunizierte „Nein“ sei nicht ernst gemeint. Hier prüft das Gericht genau, ob es sich nicht nur um bloße Schutzbehauptungen des Täters handelt.

Der sexuelle Übergriff: Besondere Umstände

Die Regelung des zweiten Absatzes  des §177 StGB stimmt in einigen Punkten mit dem Absatz 1 überein. Auch hier steht der entgegenstehende Wille im Zentrum. Neu sind in Absatz 2 besondere Umstände, aufgrund denen das Nein des Opfers nach außen hin nicht erkennbar ist. Hier hat das Gesetz verschiedene Situationen zusammengefasst, in denen das der Fall ist. Wieder sind verschiedene Handlungsvarianten denkbar: Der Täter nimmt die Handlung vor, der Täter lässt die sexuelle Handlung vornehmen, er bestimmt das Opfer, sie an einer dritten Person vorzunehmen oder die sexuelle Handlung durch eine dritte Person zu dulden. Um es zu vereinfachen, sei nur der erste Fall zugrunde gelegt: Der Täter nimmt die sexuelle Handlung vor. Die Ausführungen gelten aber für alle Tatvarianten.

Für diese Taten sieht das Gesetz grundsätzlich die gleiche Strafe vor wie für Absatz 1.
Für alle Tatvarianten muss eine Person, um Täter zu sein, mit Vorsatz handeln. Der Vorsatzbegriff stimmt mit dem aus dem ersten Absatz überein: Die Person muss es zumindest subjektiv für möglich halten, dass sie die Voraussetzungen des jeweiligen Strafgesetzes erfüllt. Kurz gesagt: Der Täter nimmt es in Kauf, dass er durch eine sexuelle Handlung die sexuelle Selbstbestimmung der anderen Person verletzt – jeweils in der Weise, die das Gesetz vorschreibt: Zum Beispiel ist es dem Täter bewusst, dass die andere Person in der Situation nicht Nein sagen kann. Oder er hält es für möglich, dass er das Opfer mit einer sexuellen Handlung überrascht. Vorsatz bedeutet immer, dass der Täter sich in gewisser Weise über sein Handeln bewusst ist.

Ausnutzen

Wichtig ist der Begriff des „Ausnutzens“: Im §177 Abs. 2 StGB nutzt der Täter verschiedene Situationen für eine sexuelle Handlung aus: Die nachteilige Lage der anderen Person – zum Beispiel, dass sie bewusstlos ist, überrumpelt wird, bedroht wird – ermöglicht oder erleichtert objektiv die Vornahme einer sexuellen Handlung. Dies macht sich der Täter subjektiv zunutze: Er kalkuliert die den jeweiligen Umstand ein und nimmt diese „besondere Gelegenheit“ wahr, um sexuell zu handeln.

Unfähigkeit zur Willensbildung und Willensäußerung

Die erste Situation – §177 Abs. 2 Nr. 1 StGB – beschreibt folgenden Zustand: Der Täter nimmt eine sexuelle Handlung an einer anderen Person vor und nutzt aus, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.

Das heißt: Es geht zum einen darum, dass das die Person gar nicht in der Lage ist, die sexuelle Handlung für sich zu bewerten und einzuwilligen oder abzulehnen. Zum anderen geht es darum, dass eine Person das innere Nein nicht nach außen kommunizieren kann.
Praktisch geht es dabei um alle Fälle einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung beim Opfer: erheblicher Alkohol- oder Drogenrausch, Schlaf, Vollnarkose, Koma oder sonstige Bewusstlosigkeit.
 
Einige konkrete Beispiele:
Das Opfer ist aufgrund des Konsums von KO-Tropfen bewusstlos.
Das Opfer kann aufgrund von Alkohol keinen Willen mehr bilden oder äußern. Hier sind nur Fälle ganz erheblicher Intoxikation durch Alkohol erfasst: Bloßes Betrunkensein, das die geistigen Fähigkeiten nur einschränkt, reicht nicht aus: Zum Beispiel bloße Enthemmung oder langsamere Reaktionen. Unerheblich ist es, wer das Opfer in den Zustand der Willensunfähigkeit versetzt hat. Das heißt, Fälle, in denen der Täter das Opfer nur stark betrunken vorgefunden hat, sind genauso erfasst wie die Fälle, in denen der Täter dem Opfer zum Beispiel Drogen oder Alkohol selbst verabreicht.
 
Auch sexuelle Handlungen, die an einer schlafenden Person vorgenommen werden, fallen unter diese Regelung.
Die gemeinsame Basis der Strafbarkeit für diese Fälle ist: Es gibt objektiv feststellbare Umstände, die dazu geführt haben, dass eine Person nicht in der Lage ist, ihren entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Beispielsweise ist eine Person „starr vor Furcht oder Schreck“. Sie kann deshalb ihren inneren Unwillen nicht nach außen hin kommunizieren. Der Grund für ihren Zustand ist, dass der Täter sie zum Beispiel durch Gewalt eingeschüchtert hat oder die Person sich in einer schutzlosen Lage befindet. Nutzt der Täter diesen Zustand für eine sexuelle Handlung aus, kann er sich strafbar machen. Denn hier lagen objektiv feststellbare Faktoren vor.
 
Anders ist es, wenn sich eine Person bloß subjektiv nicht im Stande fühlt, Nein sagen zu können. Fühlt sich jemand, etwa nach einem Streit, „wie gelähmt“ oder in einer „Schockstarre“, beschreibt dies einen rein inneren Zustand, ohne dass äußere Faktoren vorliegen. Dies unterfällt nicht dem §177 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
 
Der Gesetzgeber hält noch eine Schärfung der Strafe bereit: Beruht die Unfähigkeit des Opfers, seinen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder einer Behinderung, so kann eine Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren drohen.

Erhebliche Einschränkung der Willensbildung und Willensäußerung

Die nächste Konstellation des Tatbestandes findet sich in §177 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Es handelt sich um folgende Situation: Eine Person befindet sich in einem bestimmten körperlichen oder psychischen Zustand. Aufgrund diese Zustandes ist die Person erheblich eingeschränkt, sich über eine sexuelle Handlung Gedanken zu machen oder eine sexuelle Handlung einzuwilligen. Der Täter nutzt diese Situation für eine sexuelle Handlung aus. Zwei Sachen sind hier zu beachten:

1. In diesem zweiten Absatz hat der Gesetzgeber eine Abstufung vorgenommen: Vorher ging es darum, dass eine Person nicht in der Lage war, ihren Willen zu bilden oder zu äußern. Nun muss eine Person aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustandes in Anführungszeichen „nur“ erheblich eingeschränkt sein, ihren Willen zu bilden oder zu äußern.
2. Hat sich der Täter der Zustimmung seines Sexualpartners versichert, macht er sich nicht strafbar.
 
Wann ist jemand erheblich eingeschränkt, sich eine Meinung zu einer sexuellen Handlung zu bilden oder seine Meinung zu äußern?
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Eine klare Definition der erheblichen Einschränkung gibt es bisher nicht. Laut dem Gesetzgeber muss die erhebliche Einschränkung „offensichtlich auf der Hand liegen und sich dem unbefangenen Beobachter ohne weiteres aufdrängen“. Wichtig ist auf jeden Fall: Strafbar ist das Ganze nur, wenn die erhebliche Einschränkung zur Willensbildung oder Willensäußerung zum Zeitpunkt der sexuellen Handlung vorliegt.
Welche Fälle sind also konkret gemeint: Zum Beispiel stark verminderte Intelligenz, Demenz oder geistige Behinderung. Auch erhebliche Trunkenheit kann erfasst sein: Die Person ist durch Alkohol oder Drogenkonsum in beträchtlicher Weise berauscht, leichtes Angetrunkensein ist damit nicht gemeint. 
 
Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist: Ein eigenes Sexleben zu haben ist Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Menschen, die in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind, sollen nicht daran gehindert werden, ihre sexuellen Bedürfnisse auszuleben. Andererseits sind diese Menschen natürlich schutzbedürftiger.
Interessant ist, dass die handelnde Person die Strafbarkeit abwenden kann: Versichert sich eine Person der Zustimmung des Sexualpartners, der erheblich eingeschränkt ist, so ist die Vornahme der sexuellen Handlung nicht strafbar.
 
In den zuvor vorgestellten Konstellationen ging es um den Grundsatz Nein heißt Nein: Das Gesetz stellt dort eine Anforderung an das Opfer, seinen entgegenstehenden Willen zu kommunizieren – wenn es dazu in der Lage ist. Hier ist das anders: Der Täter muss sich der Zustimmung versichern. Das heißt, er muss sicher erfassen, dass das Opfer die sexuelle Handlung will. So verschiebt sich die Pflicht der Kommunikation des Opfers auf den Täter: Es gilt hier nicht Nein heißt Nein, sondern Nur Ja heißt Ja. Das heißt konkret: Die Zustimmung zu jeder sexuellen Handlung muss vorher von der eingeschränkten Person eingeholt werden. Das gilt auch innerhalb eines Geschlechtsaktes: Die Zustimmung muss für jede einzelne sexuelle Handlung innerhalb dieses Aktes vor der jeweiligen Handlung erneut eingeholt werden: Etwa Küssen der Brust, dann Berührung des Gesäßes, dann Berührung des Intimbereichs etc.
 
Mit der Zustimmung drückt die eingeschränkte Person ihren natürlichen Willen aus, dass sie die sexuelle Handlung möchte. Sie kann verbal – also mit Worten – zustimmen. Sie kann ihren Willen auch durch Handlungen ausdrücken, durch sexualisierte Berührungen: Die eingeschränkte Person ergreift zum Beispiel die Initiative und befriedigt den Partner oral. Wichtig ist: Der Wille zur sexuellen Handlung muss nach außen hin objektiv eindeutig sein. Bei mehrdeutigem Verhalten der eingeschränkten Person gilt: Dies reicht nicht aus, um als Zustimmung zu gelten. Hier hat der Täter die Pflicht, bei der eingeschränkten Person nachzufragen, ob sie wirklich zustimmt.
 
Auch in diesem Fall spielt das Ausnutzen eine Rolle. Hierfür sei auf oben verwiesen: Der Täter muss die erhebliche Einschränkung zur Willensäußerung oder Willensbildung zur sexuellen Handlung ausnutzen: Daran kann es bei einer unklaren Kommunikation fehlen. Dass der Täter die Situation ausnutzt, ist auch dann fraglich, wenn er selbst stark betrunken ist.

Überraschende sexuelle Handlungen

In §177 Abs. 2 Nr. 3 StGB nutzt der Täter ein Überraschungsmoment für eine sexuelle Handlung aus.

Der Täter überrumpelt das Opfer mit einer sexuellen Handlung. Das Opfer kann aufgrund der Schnelligkeit der Situation einen entgegenstehenden Willen nicht rechtzeitig bilden und äußern.
Praktische Relevanz liegt beim „Grapschen“ im öffentlichen Raum vor: Das ist allerdings nach dieser Vorschrift nur dann strafbar, wenn eine erhebliche sexuelle Handlung vorliegt.
 
Auch in Paarbeziehungen kann die Regelung eine Rolle spielen: Dort kann es vorkommen, dass der eine Partner den anderen mit einer sexuellen Handlung „überrascht“. Strafbar ist dieses Verhalten aber selten. Billigt der Partner es grundsätzlich, derartig überrascht zu werden, ist seine sexuelle Selbstbestimmung aus Sicht des Gesetzes nicht eingeschränkt. Sind sexuelle Überraschungen in der Vergangenheit bereits gutgeheißen worden, geht der handelnde Partner zudem in der Regel davon aus, dass der andere dies auch weiterhin möchte.

Das empfindliche Übel

In Nr. 4 und Nr. 5 des §177 Abs. 2 StGB geht es unter anderem um ein sogenanntes „empfindliches Übel“. Der Begriff empfindliches Übel beschreibt eine erhebliche Verschlechterung in der Außenwelt des Opfers. Nur leichte negative Veränderungen im Bagatellbereich sind nicht gemeint.

In Nr. 4 nutzt der Täter für eine sexuelle Handlung eine Lage aus, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht. Widerstand bedeutet nicht, dass sich das Opfer gegen den Täter körperlich zur Wehr setzen muss. Mit Widerstand ist vielmehr jede Ablehnung des Opfers hinsichtlich der sexuellen Handlung gemeint. Der Gesetzgeber wollte mit der Strafvorschrift vor allem die sogenannten Klima der Gewalt-Fälle erfassen. Das bezeichnet eine Beziehung zwischen zwei Personen, in der die eine Person regelmäßig Gewalt gegen den anderen ausübt: Dies kann in einer Paarbeziehung oder in einer familiären Konstellation der Fall sein. Das Opfer befindet sich hier in einer Lage, in der die Gewaltanwendung durch den anderen zum Alltag geworden ist. Im Rahmen dessen hat der gewalttätige Beziehungspartner bereits in der Vergangenheit Gewalt angewendet, wenn sich der andere Partner seinen Wünschen und Anordnungen nicht gefügt hat. Dadurch muss das Opfer davon ausgehen: Willigt es nicht in die sexuelle Handlung ein, droht Gewalt. Nutzt der Täter dies für eine sexuelle Handlung aus, macht er sich strafbar. Ausdrücklich drohen muss der Täter gar nicht – es reicht, wenn er sich die durch Gewalt geschaffene grundsätzliche Bedrohungslage zu nutze macht.
 
Die Rechtsprechung geht von solchen Klima der Gewalt-Fällen nur unter bestimmten Voraussetzungen aus. Das heißt: Die rechtlichen Hürden sind hoch. Das Klima der Gewalt muss im Zeitpunkt der sexuellen Handlung bestanden haben. Das ist dann nicht der Fall bei Beziehungen, die sehr wechselhaft sind: Zum Beispiel wenn nach einer Gewaltanwendung eine Phase der Versöhnung mit einvernehmlichem Sex kommt.

Neben den Klima der Gewalt-Fällen sind noch andere Situationen denkbar, in denen der Täter eine bedrohliche Lage des Opfers ausnutzt. Ein konkretes Beispiel für die Strafbarkeit: Ein Zuhälter droht einer Prostituierten, sie einzusperren, wenn sie keinen Sex mit ihrer Kundschaft hat. Ein Kunde nutzt diese Bedrohungssituation für Geschlechtsverkehr aus.
 
Ein Beispiel, das nicht der Strafbarkeit unterfällt: Eine Arbeitnehmerin bietet ihrem Chef Sex an, um eine drohende Kündigung abzuwenden. Hier geht die sexuelle Initiative von der Mitarbeiterin selbst aus. Wichtig ist: Die negative Veränderung muss durch die Weigerung zur sexuellen Handlung drohen. Fälle, in denen die Verschlechterung unabhängig vom Verhalten des Opfers droht, sind nicht erfasst. In jeder allgemeinen Lebenssituation – zum Beispiel im Arbeitsleben oder in der Ehe – ist jeder Mensch von äußeren Faktoren abhängig. Theoretisch kann immer eine Verschlechterung der Lage drohen. Das allein stellt noch keine bedrohliche Lage im Sinne des Strafrechts dar. Man stelle sich folgende Situation vor: Ein Vorgesetzter verlangt Sex von einer Mitarbeiterin. Diese willigt ein, weil Angst hat, bei einer Weigerung gekündigt zu werden. Nur die theoretische Möglichkeit einer Kündigung begründet keine Strafbarkeit.
 
In §177 Abs. 2 Nr. 5 StGB nötigt der Täter das Opfer. Der Täter macht dem Opfer also klar, dass eine erhebliche Verschlechterung seiner Lage droht, wenn es die sexuelle Handlung ablehnt. Der Täter nimmt hier die Drohung mit dem Nachteil selbst vor und lässt es so aussehen, dass er den Eintritt des Nachteils auch beeinflussen kann.
Am Beispiel im Arbeitsleben ausgedrückt: Der Vorgesetzte sagt zu einem Mitarbeiter: Wenn du nicht mit mir schläfst, werde ich dich kündigen. Das ist strafbar.
Nicht strafbar ist, wenn eine Person einen Vorteil verspricht im und im Gegenzug eine sexuelle Handlung verlangt: Der Vorgesetzte sagt zu seinem Mitarbeiter: Wenn du mit mir schläfst, werde ich dich befördern. Das ist nicht strafbar.
 
Vorsicht geboten ist, wenn der Täter einen Vorteil verspricht, der darin besteht, einen stillschweigend in Aussicht gestellten Nachteil abzuwenden. Konkret: Der Vorgesetzte sagt zu seinem Mitarbeiter: Wenn du mit mir schläfst, werde ich dich vielleicht doch nicht kündigen. Hier wird ein als Vorteil getarnter Nachteil in Aussicht gestellt. Das ist strafbar. Denn was der Vorgesetzte im Umkehrschluss sagt: Wenn du nicht mit mir schläfst, kündige ich dich auf jeden Fall.
Der Täter kann die Strafbarkeit nicht umgehen, nur weil er manipulative Sprache verwenden. 

Sexuelle Nötigung

Nach dem vorher geltenden Strafrecht gab es den Tatbestand der sexuellen Nötigung. Hier drängte der Täter das Opfer zu sexuellen Handlung, in dem er Gewalt anwendete, das Opfer mit Gefahr für Leib oder Leben bedrohte oder eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzte. Der Täter musste also das Opfer insbesondere durch Gewalt oder Drohung nötigen. 

Inzwischen hat der Gesetzgeber den Tatbestand der sexuellen Nötigung überarbeitet. Die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit sind geringer geworden, das heißt: Jemand kann sich schneller strafbar machen. Hierzu wurde §177 Abs. 5 StGB erneuert. Die Vorschrift regelt verschiedene Voraussetzungen, unter denen ein sexueller Übergriff noch härter bestraft werden kann. Dem Täter droht eine Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren.
 
Die Situation ist wie folgt: Der Täter begeht einen sexuellen Übergriff nach §177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. Bei einem sexuellen Übergriff geht es um eine erhebliche sexuelle Handlung. Diese Handlung nimmt der Täter am Opfer vor, lässt sie vornehmen oder bestimmt das Opfer, die sexuelle Handlung an einer dritten Person vorzunehmen oder von dieser Person zu dulden.
 
Die sexuelle Handlung verletzt die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers. Das Gesetz hat hierfür verschiedene Situationen aufgelistet:
Das Opfer hat seine Ablehnung dem Täter kommuniziert. Das Opfer ist nicht in der Lage, seine Ablehnung zu kommunizieren – zum Beispiel aufgrund seiner psychischen oder körperlichen Verfassung. Das Opfer wird mit der sexuellen Handlung derartig überrascht, dass es keine Zeit mehr hat, abzulehnen. Das Opfer befindet sich in einer Lage, in der ihm durch die Weigerung der sexuellen Handlung ein erheblicher Nachteil droht. Und zuletzt: Der Täter droht dem Opfer mit einem erheblichen Nachteil und nötigt es so zur sexuellen Handlung (siehe die vorstehenden Ausführungen).
Zusätzlich zu einer dieser Voraussetzungen begeht der Täter des §177 Abs. 5 StGB noch weiteres Unrecht. Plakativ gesagt handelt es sich um einen „sexuellen Übergriff Plus“.

Gewalt, Drohung und schutzlose Lage

Das Gesetz hat in Absatz 5 drei verschiedene Konstellationen festgeschrieben, in denen der Täter über den beschriebenen sexuellen Übergriff hinaus geht: Der Täter wendet gegenüber dem Opfer Gewalt an, der Täter droht dem Opfer mit Gewalt auf die körperliche Unversehrtheit, der Täter nutzt eine schutzlose Lage des Opfers aus.

Bei der Anwendung von Gewalt und Drohung hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die Strafbarkeit herabgesetzt: Der Täter macht sich  nach der neuen Rechtslage schneller und einfacher strafbar. Nach altem Recht musste der Täter die Gewalt oder die Drohung als Nötigungsmittel einsetzen. Das heißt: Er musste Gewalt anwenden oder das Opfer bedrohen, um das Opfer dadurch zur sexuellen Handlung zu bedrängen. Gewalt und Drohung waren also Mittel zum Zweck, um die sexuelle Handlung zu erreichen. Dies hat sich jetzt geändert. Nach neuem Recht macht sich der Täter bereits strafbar, wenn er die Gewalt oder die Drohung im Kontext zur sexuellen Handlung vornimmt. Die Voraussetzung, dass der Täter dies als Nötigungsmittel einsetzt, gibt es nicht mehr.

Nummer 1: Der Täter wendet gegenüber dem Opfer Gewalt an. Es geht um körperlicher Gewalt, also eine gewalttätige Einwirkung auf den Körper des Opfers. Rein psychische Gewalt genügt nicht. Umfasst sind zusätzlich Fälle wie nach der früheren Rechtslage: Der Täter setzt die Gewalt ein, um das Opfer zu einer sexuellen Handlung zu nötigen.

Einige praktische Beispiele: Der Täter verabreicht dem Opfer heimlich oder gegen seinen Willen Rausch-, Betäubungs- oder Schlafmittel. Diese Konstellation ist bereits vorgestellt worden. Die Verabreichung von KO-Tropfen zur Vornahme einer sexuellen Handlung ist also nicht nur ein sexueller Übergriff, sondern zusätzlich eine Gewaltanwendung, für die die höhere Strafe des Absatz 5 droht. Weitere Beispiele sind: Festhallten der Hände des Opfers an den Handgelenken, Auseinanderdrücken der Beine, Zupressen des Mundes, Legen auf das Opfer und unter bestimmten Umständen auch das Einsperren des Opfers in einen Raum.

Neue Rechtslage

Nun kommt die neue Rechtslage ins Spiel. Der Täter macht sich im Gegensatz zu früher auch strafbar, wenn er die Gewalt nicht zur Nötigung einsetzt, sondern „nur“ im Kontext zur sexuellen Handlung. Er muss die Gewalt also nicht mehr als Mittel einsetzen, um das Opfer zu der sexuellen Handlung zu drängen. Die Hürden für eines Strafbarkeit sind herabgesetzt worden. Strafbar nach dieser Vorschrift – mit der erhöhten Strafe – macht sich der Täter zum Beispiel bereits, wenn er das Opfer zur Luststeigerung beißt.
 
Nummer 2: Der Täter droht dem Opfer mit gegenwärtiger Gewalt für Leib oder Leben. Hier droht der Täter dem Opfer im Zusammenhang mit der sexuellen Handlung. Mit der Drohung kündigt der Täter dem Opfer einen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit an. Der angedrohte Angriff muss eine „gewisse Schwere“ haben. Aus Sicht des Opfers muss die Drohung echt und ernsthaft wirken.
Konkrete Beispiele: Drohung mit einer schmerzhaften sexuellen Handlung, Drohungen mit einer erheblichen Körperverletzung, Drohung mit dem Tod.
 
Nummer 3: Der Täter nutzt eine Lage aus, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
Das heißt übersetzt: Das Opfer befindet sich in einer Situation, in der es möglichen Gewalthandlungen des Täters – also potentiellen Körperverletzungs- und Tötungshandlungen – ausgeliefert ist, ohne realistische Möglichkeit, dieser Situation entkommen zu können.
Konkrete Beispiele können je nach den genauen Umständen sein: Einsame Orte, fehlende Fluchtmöglichkeiten, keine anderen Personen in unmittelbarer Umgebung, die helfen könnten, körperliche oder psychische Einschränkung des Opfers. Bloßes „Alleinsein“ reicht nicht.
 
Die schutzlose Lage muss der Täter auch in diesem Fall  ausnutzen. Der Täter nutzt die schutzlose Lage aus, wenn er erkennt, dass die Situation des Opfers die sexuelle Handlung ermöglicht oder erleichtert. 
 
In §177 Abs. 6 StGB sind die besonders schweren Fälle des sexuellen Übergriffs geregelt, unter anderem die Vergewaltigung.